Leben oder so ähnlich

Leben oder so ähnlich
"Manchmal wünsch ich mir, dass die Zeit sich einfach noch mal zurück dreht. Das ich einfach noch mal dieses kleine Mädchen sein kann, was ich einmal war. Unbeschwert, Glücklich. Früher war ich ein kleiner Engel. Furchtbar beliebt bei allen, hab immer bekommen was ich wollte. Wenn man mich heute ansieht, ist wirklich nichts mehr erstrebenswert an mir. Ich wünschte ich könnte die Zeit zurück drehen. Vor diesen Tag. Noch einmal vor den 09. Novermber 2003 reisen. Das wäre mein Wunsch!"

Freitag, 23. Juli 2010

Kapitel 2 "...ach Mutter, Mutter, hör mich rufen..."

"Ihr versteht jetzt sicher, warum die Lage bei uns von Anfang an verfahren schien. Warum der Weg den wir zusammen gegangen sind, fast schon unumgänglich war und uns gar nichts anderes übrig blieb, als ihn zu gehen.
Ich bitte euch, dass ihr nicht zu schnell Urteilt. Auch ich hab am Anfang schnell geurteilt. Aber nur, weil ich die ganze Geschichte nicht kannte. Ich konnte sie auch nicht kennen. Ich war einfach viel zu Jung. Versucht einen offenen Blick zu behalten und immer das Ganze zu betrachte." - B.


Kapitel 2

12. Oktober 2003
14 Uhr Im Haus der Familie Fernandez

Rebecca und Gaby Fernandez saßen zusammen am Tisch und aßen ihr Mittagessen.
"Schatz, jetzt erzähl doch mal, wie war es heute in der Schule?", sagte Gaby. Ihre Stimme klang schwach, aber so sah ihr gesamter Körper aus. Schwach.
Ihre Haare waren schon sehr grau und ihr durch die Chemotherapie auch immer mehr ausgefallen. Ihre früher so strahlend braunen Augen waren mittlerweile höchstens noch als ein matschiges Braun zu beschreiben. Ihre Haut war alt und fahl und begann zu allem überfluss auch noch Falten zu entwickeln. Sie war gezeichnet. Gezeichnet von ihrem Leben.
Doch immer noch versuchte sie das beste daraus zu machen und opferte sich auf für Rebecca, auch wenn diese das gar nicht wollte.
"Es war wirklich nichts besonderes Mum.", antwortete Becca gelangweilt. "Was ist denn mit diesem Jungen den du so süß findest?", fragte Gaby weiter.
"Mum!", antworte Becca nur genervt. "Ich hab jetzt wirlich keine Lust mit dir darüber zu reden!"
Becci aß genervt weiter und sah auf ihr essen. "Wo ist eigentlich Jenny?", fragte sie dann ihre Mutter. "Jenny?", fragte Gaby irritiert und sah Becca an. Becca sah jetzt auch ihre Mutter an. Also sie sah was für einen Gesichtsausdruck ihre Mutter hatte wurde sie sauer. Ihre Miener änderte sich von gelassen und gelangweilt zu angespannt und gereizt. "Die dürfte gleich aus der Schule kommen." "Und warum haben wir dann nicht mit dem Essen auf sie gewartet?", fragte Becca leicht sauer. "Ach Amy... wir essen immer um die Zeit und Jenny macht es nichts aus wenn sie alleine isst. Du weißt doch sie ist eh immer lieber für sich.", verteidigte Gaby ihr Verhalten. "Nein Mum, du hast es lieber wenn sie für sich ist.", sagte Rebecca traurig. "Ich hab keinen Hunger mehr.", fügte sie hinzu und stand auf.
Als sie gerade hoch in ihr Zimmer wollte kam Jenny in die Diele. "Jenny!", begrüßte Bacca ihre Schwester herzlich. "Hey.", sagte Jenny jedoch eher abwesend und schien ihre kleine Schwester kaum zu beachten. "Drinnen gibt es essen.", informierte Becca. "Schön. Du meinst sicher ihr zwei habt schon schön gegessen und habt mir was übrig gelassen.", sagte Jenny pampisch. "Jenny...", versuchte Becca anzusetztn. "Ach komm, lass.", sagte Jenny und ging die Treppe zu ihrem Zimmer hoch.
Rebecca stiegen dir Tränen in die Augen. Warum war ihre Schwester nur immer so gemein zu ihr. Und das obwohl sie Jenny schon seit jeher bewundert hatte und alles tat um ihr zu gefallen.
Resigniert ging auch Becca in ihr Zimmer.


4. April 1986
Kinderheim der Karmeliter Ordens

Es schien so als ob 1000 verschiedene Stimmen durcheinander schrieen. Es war ein lauer Frühlingstag und die Kinder des Karmeliter Kinderheims spielten draußen auf einem Spielplatz.
Mitten drin, komplett verloren, stand ein spanisches Pärchen und versuchte den Überblick zu behalten.
Scheinbar aus dem Nichts kam ein Mann auf sie zu. "Kann ich ihnen helfen?", fragte er das Pärchen freundlich. "Wir sind Alessandro und Gariel Garcia Fernandez. Wir hatten hier heute einen Termin, weil wir gerne ein Kind adoptieren würden.", erklärte Alessandro. "Ah ja genau, Familie Fernandez. Sie hatten vorher mit Herrn Lonquich gesprochen, richtig?", fragte der Mann. "Ja genau, wir sind heute zum zweiten Gespräch da, bzw. uns wurde gesagt, dass wir heute... ich weiß nicht wie ich das sagen soll... uns ein paar Kinder... angucken können.", antwortete Alessandro. "Es tut mir leid wenn das jetzt irgendwie so... ich weiß auch nicht... rein Geschäftlich und so wenig Menschlich klingt, aber ich weiß wirklich nicht wie ich das anders ausdrücken soll.", erklärte Alessandro seine Aussage lächelnd. Der Mann grinste. "Ja, so geht es vielen Menschen. Wir sprechen gerne davon, dass sie die Kinder zum ersten Mal kennen lernen können. Obwohl von einem richtigen Kennenlernen natürlich nach einem ersten Treffen noch nicht gesprochen werden kann. Es ist wohl eher ein "sich einen ersten Eindruck verschaffen"." Gaby und Alessandro versuchten sich ein lächeln abzugewinnen, jedoch war die Situation für die beiden etwas merkwürdig.
"Ich bin übrigens Günter Gauer und Gemeindereferendar. Ich kümmere mich ehrenamtlich um die Betreuung der möglichen Eltern für unsere kleinen Schützlinge.", stellte sich der Unbekannte nun endlich vor. "Wenn sie möchten können sie gleich anfangen einige Kinder kennen zu lernen. Wir sind ja schließlich direkt am richtigen Ort!", sagte er wieder mit einem grinsen und zeigte mit seinen Armen in einem weiten Bogen auf die spielenden Kinder. "Gerne!", meldete sich jetzt Gaby zu Wort, als hätte sie darauf die ganze Zeit schon gewartet. Sie wurde gleich ein wenig rot, als sie merkte, dass aufgefallen war, dass ihre Gerne ein wenig stürmich hervorgekommen war.
Nachdem Herr Gauer einige Kinder dem jungen Pärchen gezeigt hatte und viele sehr aufgeschloßen waren, teilweise kamen die Kinder schon ohne, dass Herr Gauer sie holen musste, wohl weil sie einfach den Drang endlich adoptiert zu werden hatten, setzten sie sich zusammen auf eine Bank um die kennen gelernten Kinder zu besprechen.
Sie hatten viele bezaubernde kleine Kinder gesehen. Sicherlich wäre jedes von ihnen ein großes Zugewinn für eine Familie gewesen. Aber irgendwas hatte Gaby sowie Alessandro gefehlt und obwohl keiner das Gesagt hatte, wusste jeder der beiden, dass es für den anderen genauso war.
Während Herr Gauer gerade über den weiteren Vorgang der Adoption am reden war, ließ Gaby den Blick ein wenig über den Spielplatz streifen. Überall rannten kleine Kinder herum und spielten miteinander. Alles schien in Bewegung zu sein und es herrschte ein Reger Geräuschs Pegel. Doch plötzlich viel Gabys Blick auf ein kleines Mädchen, dass nur mit ihrer Puppe auf der Wiese saß. Sie spielte ein wenig mit ihrer Puppe, war aber in ihrem spielen viel ruhiger als all die anderen Kinder.
Aufeinmal verspürte Gaby den Drang zu dem Mädchen hinzugehen. "Wer ist dieses Mädchen?", fragte sie plötzlich und unterbrach damit Herr Gauer mittem im Satz. "Welches?", fragte er zuerst irritiert. Dann wies Gaby in die Richtung des Mädchens. "Da auf der Wiese. Sie sitzt da ganz alleine zusammen mit ihrer Puppe.", beschrieb sie. "Ah, ja. Das ist Jenny.", beantwortete Herr Gauer die Frage.
Jenny war ein sehr zierliches, kleines Mädchen mit langen, hell blonden Löckchen. Trotz der weiten entfernung konnte Gaby ihre hell blauen Augen sehen, die unheimlich tief zu sein schienen, erkennen. Sie war bezaubernd. Ein richtiges Engelchen.
"Sie ist eins unserer Problemkinder.", sagte Herr Gauer vorsichtig. "Was meinen sie damit?", fragte Alessandro nach. "Sie hatte eine schwierige Zeit. Sie war in ihrer Familie sehr isoliert. Wir wissen leider nichts genaues über ihre Lebenssituation bevor sie zu uns kam. Aber es muss wohl sehr schlimm gewesen sein." Alessandro hatte wärend der Kinderheim Mitarbeiten gesprochen hatte die ganze Zeit das kleine Mädchen angesehen. Auch er hatte sich sofort in sie verliebt. "Was meinen sie mit "sehr schlimm"?", fragte er weiter nach. "Naja, sie wurde von der Polizei daraus geholt. Sie war wohl die ganze Zeit über in einem kleinen Laufstall. Zuessen hat sie kaum etwas bekommen und um sie gekümmert hat sich nur ihre große Schwester Lynn.", der Gemeindereferendar erzählte noch weiter was er über Jenny's frühere Lebenssituation gewusst hatte, jedoch hörte ihm Gaby nicht mehr zu. Sie war so verzaubert von ihr.
"Und warum ist sie ein Problemkind?", fragte Alessandro als Herr Gauer mit seinen ausführungen fertig war. "Also Jenny ist nur unter sich. Sie hat nicht viel Kontakt mit den anderen Kindern. Früher hatte sie große Angstzustände aber das scheint sie mittlerweile überwunden zu haben. Das Größte Problem ist, dass sie den Kontakt zur Außenwelt meidet. Sie braucht eine Familie die sich ihr wirklich intensiv zuwendet." "Dürfen wir sie kennen lernen?", fragte Gaby wieder. "Natürlich.", sagte Herr Gauer erstaunt. "Die meisten Menschen laßen sich davon direkt abschrecken.", führte er weiter aus doch Gaby war schon aufgestanden und ging zu dem kleinen Mädchen hin. Vorsichtig ging sie auf Jenny zu, als wenn sie Angst hätte, dass das Scheue Kind weglaufen würde, sobald sie merken würde, dass jemand auf sie zu kam. Doch Jenny lief nicht weg. Sie blieb ruhig sitzen und spielte mit ihrer Puppe. Umsonäher Gaby dem Kind kam, desto deutlicher konnte sie ihre glockenhelle Stimme hören, denn sie redete mit ihrer Puppe. Sie schien sich als verantwortungsvolle Mutter der Puppe zu fühlen. Wahrscheinlich ein Relikt aus ihrer Vergangenheit.
Gaby setzte sich vorsichtig neben die Kleine. "Hey.", sagte sie freundlich zu dem Mädchen. "Hey.", sagte Jenny, ohne Gaby auch nur anzusehen. "Ich bin Gaby Fernandez.", stellte sich Gaby vor. "Ja."; antwortete Jenny nur, anstatt sich selber vorzustellen. "Und du bist Jenny?", fragte sie das Mädchen. Jetzt sah die kleine sie an. "Ja, ich heiße Jenny." Während Gaby sich mit der kleinen unterhielt, beobachteten Herr Gauer und Alessandro die beiden. "Vielleicht können wir ja mal ein Wochenende zusammen verbringen? Wir könnten in den Zoo gehen wenn du das möchtest.", schlug Gaby nach einer Weile vor. "Ich war noch nie in einem Zoo. Ich war eigentlich noch nirgenswo außer hier im Heim und...", doch Jenny brach an dieser Stelle ab. "Was? Du warst noch nie im Zoo? Das geht natürlich nicht! Das müssen wir unbedingt machen! Du musst dir dringend mal die Affen ansehen!", versuchte Gaby die Situation zu überspielen. "Die haben einen riesigen roen Popo und machen die meiste Zeit nur quatsch!" Jenny lachte. Gaby lächelte zurück. "Werdet ihr mich adoptieren?", fragte Jenny und sah dabei in die Richtung von Alessandro. Diese Frage klang so hoffnungslos, als wenn sie schon damit rechnete, dass Gaby jetzt nein sagen würde. Dieses zarte kleine Wesen schien so verletzt von ihrer Umweld zu sein, ohne eine Perspektive. Ohne Liebe jemals erlebt zu haben. Und Gaby wusste nicht warum, sie konnte es rational nicht begründen, aber sie sagte "Ja.". Sie versprach es dem keinen Mädchen und sie wusste, dass das was sie sagte wahr war. Sie hatte sich jetzt vielleicht eine halbe Stunde mit diesem kleinen Mädchen beschäfftigt, aber sie fühlte schon genau, dass sie die Einzige war, die sie wollte. Und sie spürte auch, dass auch Jenny schon jetzt bereits begeistert war davon, dass sie bald zu der Familie Fernandez kommen würde.


Später im Auto auf der Heimfahrt

"Gaby du kannst doch nicht einfach einem Kind versprechen, dass du es adoptieren wirst. Was ist wenn es gar nicht funktioniert?", tadelte Alessandro seine Frau die immer noch völlig begeistert von ihrer Begegnung mit Jenny war. "Alessandro du hättest mit ihr sprechen müssen. Sie war so wundervoll. Ein zartes kleines Kind, aber trotzdem durch ihre Vergangenheit so Erwachsen. Es schien so, als wenn sie ihr Leben ganz alleine meistern würde, ohne jemals Hilfe bekommen zu haben! Ich will Jenny so gerne ein liebevolles Zuhause geben! Sie war die richtige. Das hab ich gespürrt. Ich kann mir keins der anderen Kinder so sehr als unsere Tochter vorstellen.", sagte Gaby ganz euphorisch.
Alessandro sah seine Frau an und sah die Begeisterung und die zuversicht in ihren Augen. So hatte er seine Frau schon lange nicht mehr gesehen. Seit dem Gaby die Diagnose bekommen hatte, dass sie keine Kinder bekommen konnte, war sie keinen Tag mehr fröhlich gewesen. Es war ihr größter Grund eine liebevolle Mutter zu sein.
Und Alessandro wusste in diesem Moment, dass er seiner Frau diesen Wunsch niemals hätte abschlagen können. Sie Sache war bestimmt. Jenny würde sein Kind werden.


26. Juli 1993
Im Haus der Familie Fernandez

"Nein Becca, du darfst das nicht in den Mund stecken.", mütterlich zog Jenny ihrer kleinen Schwester die Zigaretten ihrer Mutter aus der Hand. "Du darfst dir das nicht nehmen.", sagte sie tadelnd. "Aber Mama macht das auch.", stellte Rebecca fest. "Ja, Mama ist auch schon alt.", erklärte Jenny. Sie hielt die Zigarette, die Rebecca aus der Schachtel heraus geholt hatte in die Höhe. "Aber du bist noch zu jung dafür.", fügte sie noch hinzu.
In diesem Moment kam ihre Mutter in das Zimmer rein. "Jenny!", rief sie geschockt. "Was machst du da? Verdammt noch mal leg die Zigaretten weg! Sie ging zügig zu Rebecca und nahm sie auf den Arm. "Wie kannst du nur? Du bist doch die große Schwester, du müsstest auf sie aufpassen anstatt ihr so einen Quatsch zu zeigen!", sagte sie wütend. "Aber Mum, Becca hat...", doch ihre Mutter lies sie nicht mal ausreden. "Jetzt komm mir nicht wieder mit sowas. Becci ist gerade mal 3 1/2 Jahre, wie soll sie denn dann sowas gemacht haben? Wenn du schon solchen Unsinn machst, dann solltest du wenigstens dazu stehen! Dafür bekommst du 2 Wochen Hausarrest!", sagte Gaby immer noch wütend. "Aber Mama, ich hab wirklich nur..." "Jenny es reicht!", unterbrach Gaby ihre älteste Tochter wieder. "Für deine Lügen und deine Rausrederrei bekommst du noch mal eine Woche dazu!" Jenny steigen die Tränen in die Augen. Sie haßte sowas. Sie wusste, dass etwas ungerecht war, aber sie konnte nichts daran ändern. Wütend stand sie auf. Sie zitterte vor erregung. "Ich haße dich!", sagte sie zu ihre Mutter, drehte sich um und rannte hoch in ihr Zimmer.
"Deine Schwester ist wirklich ein böses Mädchen Becci, ich hoffe das du mir nicht so viel Ärger bereitest, aber ich glaube das könnteset du gar nicht mein Schatz!", sagte sie und gab ihrer jüngsten Tochter einen Kuss auf die Stirn.


26. August 1999
15 Uhr im Haus der Familie Fernandez - Jenny's Zimmer

Die Musik dröhnte laut aus den Lautsprechern des kleinen CD Players der direkt vor dem Bett stand. Jenny hatte die Lautstärke auf die stärkste Stufe gestellt und sich dann direkt auf ihr Bett geschmißen. Sie drückte ihr Gesicht tief in ein Kissen, damit niemand ihr weinen hören konnte.
"Ich haße mein Leben!", dachte Jenny verzweifelt. "Wieso ist Mum bloß so? Warum kann sie mich einfach nicht lieben? Wieso liebt sie nur Rebecca? Wenn sie doch nur ein Mal an mich denken würde. Mich fragen wie es mir geht. Ich strenge mich so an. Ich tu alles, damit sie mich mag. Ich bringe gute Noten mit nachhause, ich mache zu Hause den Haushalt. Ich passe auf Becca auf, ich geh mit ihr auf den Spielplatz. Ich mache alles was sie will und trotzdem liebt sie mich einfach nicht! Was soll ich nur tun!" Jenny war verzweifelt. Langsam bekam sie ihre Tränen wieder in den Griff, aber ihre Gedanken rasten immer noch wie verrückt durch ihren Kopf. Plötzlich knallte es zwei Mal laut gegen ihre Tür. "Jenny! Mach jetzt endlich die Musik leiser! Das du dich auch nie benehmen kannst! Und dann kam bitte runter, du weißt doch das wir gleich Besuch bekommen! Du kannst schon mal anfangen alles vorzubereiten!", brüllte ihre Mutter durch die verschloßene Tür. Jenny wartete einen Moment und sagte dann nur "Ja.". Sie hörrte wie ihre Mutter in das benachbarte Zimmer von Becca ging. "Becca Schatz.", hörte sie ihre Mutter reden.
"Warum liebt sie Becca nur so viel mehr wie mich? Ich bin doch auch ihr Kind! Sie hat mich doch früher geliebt. Aber seitdem Becca da ist, da interessiert sie sich gar nicht mehr für mich! Ich haße Becca!", dachte sie wütend. Doch dann zügelte sie ihre Gedanken wieder. "Nein. Becca kann ja auch nichts dafür. Es ist Mum's Schuld." Jenny fühlte sich furchtbar. Sie war innerlich so leer. Das war schon lange nicht mehr so gewesen. Sie dachte nur manchmal, und wenn dann auch nur ganz verschwommen und wage, an ihr Leben vor dem Kinderheim zurück. Sie war schon mit 3 Jahren ins Kinderheim gekommen und deswegen waren die meisten Erinnerungen die sie gehabt hatte verschwunden. Aber sie wusste noch wie es sich angefühlt hatte dort zu leben. Es war ein leeres Gefühl gewesen. Sie hatte nur vor sich hinvegitiert. Es war nichts passiert. Ein Gefühl als wenn eine unerträglich dicke Decke auf ihr lag, die es ihr untersagte sich zu bewegen oder irgendwie mit ihrer Außenwelt Kontak aufzunehmen.
Diese Decke war nie ganz von ihr abgefallen. Oft fühlte sie sich so, als wenn sie wieder da wäre. Aber gerade war es besonders schlimm.
Jenny setzte sich in den Schneidersitz auf ihr Bett und stützte ihren Kopf auf ihre Hände. So gestützt blickten ihre Augen direkt auf den Schreibtisch, auf das Bild von ihr, Gaby und Alessandro. Kurz nach ihrer Adoption damals. Das war die Glücklichste Zeit die sie jemals gehabt hatte. Sie konnte es nicht ertragen zu lange auf dieses Bild zu sehen, also wendete sie ihren Blick ab und lies ihn weiter über den Schreibtisch gleiten. Aufeinmal viel ihr der Stifte halter ins Auge. Darin befanden sich verschiedene Filzstife, ein Kleben, mehrere Kugelschreiben und eine Schere. Bei der Schere blieb ihr Blick besonders hängen.
Erst kürzlich hatte sie einen Bericht im Fernsehn gesehen über Mädchen die sich die Arme aufschlitzten um den Schmerz loszuwerden, um ihn zu verarbeiten. "Nein, das könnte ich nie.", dachte sie, starrte aber wie gebannt weiterhin auf die Schere. Plötzlich, sie wusste nicht einmal aus welchem Antrieb heraus das geschah, stand sie auf und ging zu dem Schreibtisch. Sie nahm sich die Schere und setzte sich wieder auf ihre Bett. Sie hielt die Schere ganz dicht vor sich und sah sie unverwand an. Und wenn sie es doch einmal ausprobierte? Was hatte sie schon zu verlieren? "Nein.", dachte sie. "Wenn man einmal mit sowas anfängt... Und das kann doch nicht gut sein. Was soll es mir überhaupt helfen wenn ich mich auch noch schneide? Dann hab ich doch nur noch mehr schmerzen...", Gedanklich war sie dabei sich das ganze schlecht zu reden. Doch ihre Hände schienen etwas anderes zu tun. Die Schere, die sie aufgeklappt hatte, wanderte immer näher zum Ansatz ihres Oberschenkel. Sie hatte eine sehr kurze Hose an. Mit der Scheren Spitze schon sie den Saum der Hose noch ein wenig höher. Dann setzte sie die Schere an und drückte sie Vorsichtig auf ihren Oberschenkel. Sie zuckte direkt weg mit ihrer Hand als sie den Schmerz spürte. "Nein, ich kann das nicht.", sagte sie sich Gedanklich. Dann drückt sie die Schere fest in ihr Fleisch und zog einen ca. 2,5cm langen Strahl nach oben. Sie stöhnte vor Schmerzen wärend sie langsam die Schere immer fester drückte.
Der Schmerz war zuerst einfach nur furchtbar gewesen und tat höllisch weh. Doch dann löste es etwas in ihr aus. "Jenny jetzt komm endlich runter!", schrie ihre Mutter von unten. "Ja ich komm jetzt!", schrie Jenny energisch zurück. Sie wunderte sich selbst über sich, wo sie aufeinmal die Kraft dazu hernahm ihre Mutter so anzuschreien. Und da wusste sie das es gut war. Der Schmerz war etwas gutes. Er hab ihr Kraft. Er machte sie, so abstrus das auch klang, er machte sie stark!

Ungefähr zur gleichen Zeit in der Küche

Becca stand in der Küche und schälte Kartoffeln als plötzlich ihre Mutter in die Küche kam. "Becca was machst du da?", fragte Gaby erstaunt. "Ich schäle Kartoffeln.", sagte Becca, als wenn es das natürlichste auf dieser Welt wäre, dass sie in der Küchte stand und Hausarbeit erledigte. "Aber Becca, dass brauchst du nun wirklich nicht!", sagte ihre Mutter entsetzt. "Wo ist denn Jenny schon wieder?! Nie ist auf sie verlass!", fügte sie sauer hinzu. "Mutter jetzt lass doch mal Jenny in Ruhe! Sie macht doch so viel!", sagte Becca aufgewühlt.
"Beruhig dich Becca, du weißt doch es ist nicht gut wenn du dich aufregst. Hast du dein Asthma Spray auch dabei?", redete sie beruhigend auf ihre Tochter ein. Becca verdrehte die Augen. "Natürlich Mum.", antwortete sie genervt über ihre überfürsorgliche Mutter. "Gut.", gab diese sich zufrieden. "Jenny!", schrie sie jetzt nach oben. "Komm jetzt endlich runter! Beeil dich!" Becca verdrete wieder die Augen. "Mum.", sagte Becca gernevt. "Komm jetzt da runter und ruh dich ein bisschen aus." Becca stand auf einem kleinen Hocker, damit sie besser an die Arbeitsplatte ran kam. Becca wusste, dass jeder wiederstand zwecklos war und so sprang sie von dem Hocker runter. Gaby wollte gerade wieder nach Jenny schreeien, als diese schon die Treppe runter gerannt kam. "Ja ich komm ja schon!", rief sie dabei. "Da bist du ja endlich.", sagte Gaby gleichgültig zu Jenny als sie in die Küche kam. Sie sah sie dabei nicht mal an.
Jenny schubste Becca zur Seite, schob den Hocker der an der Stelle stand beiseite und begann selbst mit dem Kartoffelschälen. "Jenny, bitte beeil dich mit dem Essen vorbereiten. Unsere Nachbar kommen gleich. Ich muss jetzt noch mal kurz weg. Becca bleibt hier, also pass auf sie auf.", sagte Gaby zu Jenny gewannt ohne diese auch nur anzusehen. Aber dies war etwas, an dass sich Jenny schon gewöhnt hatte. Ihre Mutter hatte sie seit fast schon 10 Jahren nicht mehr wirklich angesehen. Es waren höchstens mal ein paar Versehen, wo sie nicht mit Jenny gerechnet hatte und sie deswegen plötzlich ansah. Oder natürlich wenn Besuch da war. Dann musste ja schließlich irgendwie auf heile Welt gemacht werden. Jenny wurde dann trotzdem noch nicht besonders beachtet, aber trotzdem war es jedenfalls mehr Beachtung als sie sonst bekam. Eigentlich war das so, seitdem ihr Vater gestorben war.
Gaby hatte es nie gesagt, aber Jenny wusste, dass ihre Mutter ihr die Schuld am Tod von ihrem geliebten Mann gab. Wäre er damals nicht diese Strecke gefahren um Jenny abzuholen, dann wäre dieser furchtbare Unfall niemals passiert.
"Becca ich bin gleich wieder da.", sagte Gaby nun liebevoll zu ihrer jüngeren Tochter. "Ruh dich doch ein bisschen aus. Schau ein wenig Fernsehn oder mach was anderes schönes!", fügte ihre Mutter fröhlich hinzu. Becca verdrehte die Augen als ihre Mutter ihr einen Kuss auf die Wange aufrückte. Als Gaby dann gegangen war, sagt sie zu Jenny: "Mum ist manchmal wirklich furchtbar." Jenny sah ihre Schwester kurz verächtlich an. "Du kannst dich doch nicht beschweren. Mum liebt dich.", sagte sie dann kalt. "Mum lieb dich auch!", sagte Becca überzeugt. Jenny sah Becca mit einem Blick an, der praktisch sagte "Ach ja?!", doch sie sagte nichts. "Natürlich liebt sie dich. Ich glaube, sie weiß nur nicht wie sie es dir zeigen kann.", fügte sie erklärend hinzu. "Becca du weißt gar nichts.", sagte Jenny wieder nur kalt. "Dann erklärs mir doch!", versuchte Becca das Gespräch am laufen zu halten. "Ach Becca, das würdest du eh nicht verstehen und du bist auch noch viel zu klein dafür.", tat sie ihre Schwester ab. Damit hatte sie einen wundern Punkt bei ihrer Schwester getroffen. Jenny meinte das "klein" zwar im Sinne von jung, aber Becci war wirklich sehr klein für ihr alter und litt darunter sehr. "Jenny immer krieg ich nur gesagt du bist zu klein, du bist zu jung, du verstehst das noch nicht, aber niemand versucht es mir mal zu erklären!", sagte sie beleidigt. Sie wollte gerade weitersprechen, da viel ihr die rote Spur die sich ab Jennys Hosenbund bis zum Knie hinzog. "Oh mein Gott Jenny, du blutest!", rief sie schockiert aus und wollte an den Hosenbund fassen. Doch Jenny schlug ihre Hand weg. "Das ist nichts!", sagte sie energisch. "Aber Jenny...", wollte Becca ansetzten. "Hör auf! Das ist nichts! Und wenn du jemandem davon erzählst, dann kannst du was erleben!", fauchte sie Becca an und rannte dann auf die Toilette.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Kapitel 1 "Wie schön das du geboren bist..."

Epilog

"Hallo,
mein Name ist Rebecca Garcia Fernandez.
Ich möchte euch heute meine Geschichte erzählen.
Ich weiß, dass jeder sagt, dass seine Geschichte
Mein Leben war nicht immer besonders Leicht.
Hätte ich damals gewusst, wie es einmal ausgehen würde
Wie ihr seht habe ich Probleme dabei euch irgendwelche Einleitenden Sachen zu meiner Geschichte zu sagen. Aber ich denke, dass bedarf es auch gar nicht.
Hört sie euch einfach an und dann Urteilt ihr selbst.
Ich muss dafür zurück in die Vergangenheit. In eine Zeit, in der es mich noch nicht einmal gab. Aber ihr müsst wissen was damals passiert ist. Es war wohl der Auslöser dafür, warum mein Leben so geworden ist, wie es nun mal geworden ist." B.


Kapitel I

29. Dezember 1989

In der Wohnung der Familie Garcia Fernandez

Gaby fing an auf den Innenseiten ihrer Backen zu kauen. Das tat sie immer wenn sie nervös wurde, oder ihr einfach unheimlich langweilig war. Jetzt gerade war zweiteres der Fall.
Anne Meyer war manchmal einfach furchtbar und kaum zu ertragen. Gerade saß sie bei Gabriel auf dem Sofa und quakte fröhlich vor sich hin. Sie schien gar keine Pause zwischen den Sätzen machen zu wollen und lies niemand anderen zu Wort kommen.
Auch die anderen Frauen waren mittlerweile etwas gelangweilt und fingen deshalb an ihre Augen durch den Raum gleiten zu lassen und sich genauer in dem Wohnzimmer der Familie Garcia Fernandez umzusehen.

Das hier heute war ein Treffen der Nachbarschaftsinitiative. Gegenstand der Besprechung war die bevorstehende Silvesternacht die mit einer großen Party gefeiert werden sollte.
Die Vorbereitungen waren alle schon längst getroffen, aber Anne fand immer noch etwas was besprechungs fähig und verbesserung würdig war.
Gaby sah gelangweilt auf die Uhr die an der Wand über dem Kamin hing.
Es war schon viertel vor 8.
Gaby stach besonders heraus aus allen Frauen. Neben der Tatsache, dass sie Spanierin war, war sie auch noch sehr hübsch. Sie hatte eine kurvige Figur, wobei sich dies normalerweise auf ihre Brüste und Hüfte bezog, im Moment aber duch die vorangeschrittene Schwangerschaft auch auf ihren Bauch bezogen werden konnte. Außerdem hatte sie wunderschöne braune, große Augen und ein wallendes schwarzes Haar um welches sie jedes Model beneidet hätte.
Jetzt wurde sie ein wenig nervös. Normalerweise war Alessandro Donnerstags immer um halb 8 da. Er hatte um 19 Uhr schluss auf der arbeit und holte dann Lisa von der Pfadfindergruppe ab. Er verspätete sich nie.
Alessandro war allgemein ein Mann, der sich immer an Absprachen hielt. Er achtete stets dadrauf pünktlich zu sein und andere Menschen nicht im vorhinein schon durch sein Verhalten zu verärgern.
Am Anfang war das ein kleines Problem zwischen Gaby und ihm gewesen. Gaby war alles andere als pünktlich. Man konnte wohl auch nicht sagen, dass sie besonders gut organisiert war.
Alessando hatte am Anfang große Probleme sich damit abzufinden und war so manches mal sauer wenn Gaby total abgehätzt 20 Minuten zu spät zu einem Date kam.
Aber irgendwie hatten sie es doch geschafft und waren mittlerweile 7 Jahre glücklich verheiratet.

Aufeinmal wurde Gaby aus ihren Sorgen und Gedanken gerissen. "Gaby?! Ich hab irgendwie das Gefühl du bist nicht richtig bei der Sache!", raunte Anne sie an.
"Entschuldige bitte, ich war in Gedanken, was hattest du gesagt?", antwortete Gaby versöhnlich und tätschelte dabei zärtlich ihren Bauch. "Schon gut. Ich hatte dich gefragt, was du davon halten würdest...", begann sie, doch Gaby hörte gar nicht mehr richtig zu. Dafür hörte sie aber, wie ein Auto auf den Hof fuhr. Sie hörte ganz genau, wie die kleinen Schottersteinchen an dem Reifen entlang schrabbten.
Jedoch war es nicht wie sonst. Das war nicht Alessandros Auto.
Alessandros Auto war ein uralter BMW und das konnte man auch schon von weitem hören. Es war nicht so, dass er Geräusche machte, als wenn er bald den "Geist" aufgeben würde. Aber man hörte es einfach. Es war dieses besondere Geräusch das der BMW machte. Fast wie ein schlurfen. Sie würde ihn überall heraushören.
"Gaby!?", fuhr Anne sie wieder an.
Doch Gaby war in dem Moment schon aufgesprungen und lief zur Tür. Die anderen Frauen sahen ihr fragend nach und Anne begann sofort sich über Gaby's Verhalten zu beschweren.
Doch Gaby machte sich gerade über sowas keine Gedanken.
Zeitgleich mit dem schrillen Klingeltton der Tür hatte sie die Klinke runtergedrückt und die Tür aufgerißen.
Vor ihr standen zwei Polizisten in grüner Uniform.
"Oh mein Gott!", dachte sie nur. Ihr stiegen die Tränen in die Augen.
"Sind Sie Miss Gabriella Garcia Fernandez?", fragte einer der Beamten.
Mit zittriger Stimme bejahte Gaby die Frage.
"Wir müssen Ihnen eine traurige Nachricht überbringen. Miss Fernandez es tut uns wirklich sehr Leid, aber ihr Mann...", weiter hörte Gaby nicht zu. Sie sank an der Tür entlang auf den Boden und blieb dort wie ein Häufchen Elend liegen.


Eine Stunde vorher im Pfarrzentrum der Gemeinde

"Jenny, meinst du es wäre ok, wenn ich schon mal nachhause fahre? Ich hab dir ja erzählt, dass ich morgen eine Mathe Arbeit schreibe und ich müsste eigentlich noch ein wenig lernen.", sagte ein blonder Teenager.
Das kleine Mädchen mit dem er sprach war vielleicht einen Meter hoch, hatte blonde, lockige Haare und blaue Augen, praktisch der Inbegriff von einem Engelchen.
Sie blickte zu ihm hoch und nickte. "Natürlich, kein Problem. Mein Dad kommt sowieso in ein paar Minuten! Du weißt ja, er ist immer super pünktlich!" Sie grinste. Der Junge grinste zurück. "Alles klar! Wir sehen uns dann nächste Woche! Pass auf dich auf!" Er strich ihr noch einmal über den Kopf, drehte sich dann um und ging.
Der Junge war John gewesen. Der 16 Jährige Gruppenleiter der "Wöflinge". Und Jenny war schon seit dem ersten Tag an dem sie an der Pfadfindergruppe teilgenommen hatte absolut verliebt in ihn. Eigentlich war dieses Pfadfinder Ding auch gar nicht so ihre Sache. Eigentlich konnte man sogar sagen, dass Jenny die Natur haßte. Sie fürchtete sich vor sämtlichen Tieren die man darin finden konnte, hatte absolut keinen Orientierungssinn und Campen war schon gar nichts für sie.
Bevor sie John gekannt hatte, hatte ihre Mutter Gaby sie mehr oder weniger dazu gezwungen, dass sie es wenigsten einmal Versucht.
Jenny war nicht gerade ein Mensch der schnell neue Kontakte schloß und in den zwei Jahren in denen sie jetzt bei der Familie Fernandez war, hatte sie keine Freundschaften geschloßen.
Weder im Kindergarten, welchen sie noch ein Jahr hier besuchte, noch jetzt in der ersten Klasse ihrer Grundschule, schloß sie Freundschaften oder hatte gar jemanden zum Spielen. Jennys Lehrerin Frau Schäfer hatte Gaby darauf angesprochen und Jennys Verhalten als besorgniserregend betittelt. Da auch schon Ruth, die Kindergärtnerin von Jenny sowas angedeutet hatte, hatte Gaby sich entschloßen dem ganzen ein wenig nachzuhelfen.
Doch Jenny hatte keine Lust dazu neue Leute kennen zu lernen. Sie war eh viel lieber unter sich und malte sich in ihrer Phantasie bunte Abenteuer aus.

Als Jenny dann auf einmal ganz begeistert von der Pfadfinderstunde war, war Gaby ziemlich froh und beschäfftigte sich nicht weiter mit dem Thema.
Jenny setzte sich auf die Mauer vor dem Pfarheim und dachte an John. Er war ja so toll! Und gleichzeitig war es so nett! Nicht so wie die anderen Jungs die sie kannte. Leider war er ganze 9 Jahre älter als sie, aber sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er sich irgendwann für sie Interessieren würde. Und wenn nicht, dann würde sie sich auch damit zufrieden geben einfach nur seine beste Freundin zu werden. Hauptsache in seiner Nähe sein, dass war ihr jetzt wichtig.

Nach einer Weile sah sie auf ihre Armbanduhr. Es war schon halb 8 und ihr Vater war immernoch nicht da. Eigentlich hätte er um 20 nach 7 da sein müssen. Denn da war die Pfadfinderstunde zu Ende.
Sie blickte sich nervös um und versuchte die Autos ganz hinten auf der Straße zu erkennen. Aber es war schon so dunkel draußen, dass sie keine Chance hatte. Sie sah nur zwei gelbe Punkte in der ferne.


Elisabeth Krankenhaus 
Operationssaal 1

Der Operationssaal war voller Menschen die wie verrückt durcheinander rannten. In der Mitte des Raums stand ein Operationstisch auf dem ein lateinamerikanisch aussehender Mann mittleren Alters lag. Ein Arzt war gerade dabei die Elektroschocks neu aufzuladen um sie danach auf die Brust des Mannes zu drücken. Eine Krankenschwester rannte zu einem Schrank und holte eine Ampulle aus ihm. Eine andere bemühte sich um passende Blutkonserven zu finden.
Alles in allem war es ein furchtbares wirrwar von Menschen.

Operationssaal 2

Auch in diesem OP war reges treiben, jedoch nicht ganz so viel wirrwarr wie in OP1. Gabriel lag in der Mitte des Saals auf dem Tisch und der behandelnde Arzt machte gerade ein Ultraschall von ihrem Bauch während ein anderer Arzt ihr immer wieder mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen leuchtete und versuchte mit ihr zu sprechen. "Miss Fernandez? Miss Fernandez, wie geht es ihnen?" "Was ist mit Alessandro?", fragte Gaby immer wieder. "Miss Fernandez, ihrem Mann geht es den Umständen entsprechend! Aber jetzt müssen wir uns um sie und das Baby kümmern." Als Gaby das Wort Baby hörte sah sie den Mann zum ersten Mal richtig an. "Was ist mit dem Baby?", fragte sie nervös. Der Arzt der gerade mit ihr gesprochen hatte sah den den anderen Arzt an. Dieser säuberte gerade den Bauch von dem Geel das er aufgetragen hatte. Er war dem anderen Arzt einen eindringlichen Blick zu, dann sagte er: "Der Streßanfall den sie eben erlitten haben hat eine vorzeitige Geburt ausgelöst. Wir müssen es jetzt holen." Gaby hatte mittlerweile ihren Blick zu dem jetzt mit ihr sprechenden Arzt gewendet und sah ihn ängstlich an. "Aber das ist viel zu früh! Es sollte doch erst in 2 Monaten soweit sein!", sagte sie panisch. Bei den letzten Worten brach ihre Stimme weg.
"Miss Fernandez, wenn wir den Eingriff jetzt vornehmen, dann hat es eine 90% Chance zu überleben.", sagte der Arzt kühl und informatif. Er schien dabei nichts zu empfinden.
"90%? Das heißt zu 10% könnte es schief gehen!", folgerte Gaby schnell. "Ja, das stimmt. Aber wenn wir versuchen die Geburt zu blockieren, dann kann das schlimme folgen haben. Es könnte sein das einer von ihnen das ganze nicht überlebt. Wir würden ihnen wirklich dazu raten. Es ist für sie und auch für das Baby das Beste." Wenn es für das Baby das Beste war, dann konnte es ja eigentlich gar nicht so falsch sein, überlegte sie. "Ok, tun sie's."


Später am Abend im Haus der Familie Petersen

John saß an seinem Schreibtisch und tippte hektisch und schnell auf seinem Taschenrechner herum. Er würde diese Wahrscheinlichkeitsrechnung wohl nie so richtig verstehen. Die Mathe Arbeit war schon so gut wie verloren. Aber aufgeben wollte er noch nicht. Dafür war er nicht der Typ.
Plötzlich klingelte es. John sah auf die Uhr. Es war mittlerweile schon 23 Uhr. Wer sollte so spät noch klingeln? Er hörte die leichten Schritte seiner Mutter im Flur und blieb beruhigt sitzten. Jede Unterbrechung war nicht gut für seinen Lernfluss.
Plötzlich klopfte es an seiner Tür. John richtete seinen Blick auf die Tür und brachte ein kräftiges "Herein!" hervor.
Im Türrahmen stand seine Mutter mit einem besorgten Blick.
"Du hast Besuch.", sagte sie. John wollte gerade aufstehen um zur Haustür zu gehen um seinen vermeindlichen Besuch dort zu treffen, doch da trat seine Mutter zur Seite.
An steller der schönen kleinen Frau stand dort nun ein schönes noch kleineres Mädchen. "Jenny?!", brachte John erstaunt heraus. "Was machst du denn hier?", fügte er noch hinzu. Mit Jenny hatte er wirklich als aller letztes gerechnet. Am ehesten hatte er noch an seine Freundin Kathi gedacht, mit ihr hatte er eben einen kleinen Streit gehabt - sie war ebenfalls Pfadfinder-Gruppenleiterin - und deswegen waren sie ohne eine Aussprache auseinander gegangen.
Seine Mutter schob Jenny in sein Zimmer, nickte John einmal zu und schloß dann die Tür.
Jenny stand da wie ein häufchen Elend. Sie sah sich in dem Zimmer, in dem sie noch nie gewesen war, erstaunt um. Sie hatte bisher keine Vorstellung darüber gehabt wie das Zimmer ihres geliebten Johns aussah. Aber jetzt wo sie es sah, da war ihr klar, dass es genau so sein musste. Etwas anderes würde auch gar nicht zu ihm passen.
Sein Zimmer bestand aus einem bequem aussehenden Eck- Sofa, vor dem ein kleiner Tisch stand und welches in Richtung Fernseher ausgerichtet war, einem Schreibtisch mit einem großen alten Computer darauf, jede Menge Bücher auf Bücher Regalen, aber auch auf dem Boden verstreut, einem Schrank, den Jenny viel zu klein fand und einem dafür sehr großen Bett. Auf dem Nachttisch, der neben dem Bett stand, stand ein Bild von Kathi und John.
Jenny mochte Kathi. Auch wenn sie mit John zusammen war, und deshalb natürlich auch gleichzeitg ihre größte Rivalin, aber trotzdem konnte sie Kathi sehr gut leiden. Wahrscheinlich lag das daran, dass ihre Liebe zu John eher eine schwärmerische Kinderliebe war.

Erst war John sehr schockiert darüber, dass Jenny einfach so, total spät am Abend vor ihm stand und hätte sie beinahe schon angeraunt was sie hier macht. Dann sah er aber wie geknickt sie aussah.
"Jenny setzt dich doch.", sagte er stattdessen sanft und wies mit der Hand auf sein Sofa.
Als Jenny erst nicht richtig reagieren wollte stand John auf, schob sie sachte auf die Couch und setzte sich neben sie.
"Was ist passiert? Warum bist du hier?", fragte er jetzt und sah sie dabei an. Jenny starte auf den Tisch auf dem ein Buch mit dem Titel "English Lesson III" lag. Sie starte auf das Bild von dem jungen Mädchen und dem sicher genauso alten Jungen die in einer Bar stand und sich unterhielten.
John legte seine Hand auf Jennys Kinn und drehte ihr Gesicht vorsichtig in seine Richtung. "Jenny?", er schaute sie fragend an. "Wo ist dein Papa?" Er sah Tränen in Jenny's Augen. "Er ist nicht gekommen.", presste sie hervor. "Ich wusste, dass Mama mich irgendwann vergessen würde. Aber Papa?", fügte sie schnell und leise hinzu. Dann begann sie zu weinen. Sie warf sich in Johns Arm und weinte hemmungslos. John war zuerst überfordert. Damit hatte er nicht gerechnet. Er wusste, dass Jenny Probleme zuhause hatte.
Als Gaby und Alessandro damals Jenny adoptiert hatten, war ihnen kurz vorher von einem Arzt mitgeteilt worden, dass Gaby keine Kinder kriegen konnte. Da der Kinderwunsch aber so groß gewesen war, hatten sie sich dazu entschloßen ein Kind zu adoptieren.
Zu Anfang, war auch alles gut. Jenny war der kleine Sonnenschein der Familie. Mit ihrem Engelsgesicht hatte sie Gaby sofort überzeugt und auch Alessandro war sofort ganz vernarrt in die Kleine.
Doch dann, ungefähr vor einem halbe Jahr war Gaby plötzlich schwanger geworden. Ab dem Zeitpunkt hatte sie sich komplett geändert. Für sie drehte sich alles nur noch um die Schwangerschaft und Jenny geriet in den Hintergrund. Nur noch Alessandro schien sich für seine Tochter zu interessieren.
John wusste das alles, weil seine Mutter dir frühere beste Freundin von Gaby war. Damals in ihrer Jugend waren die beiden unzertrennlich gewesen. Heute sahen sie sich alle paar Monate. Sie versuchten den Kontakt zu halten, aber die Leben der beiden hatten sich geändert.
Nach ein paar Sekunden legte John seinen Arm um die kleine im Moment so zerbrechlich scheinende Jenny. Zuerst traute er sich gar nicht sie richtig festzuhalten, schließlich war sie so ein zierliches kleines Mädchen. Doch dann drückte er sie fest an sich um ihr den Halt zugeben, den sie gerade so dringend benötigte.

Nachdem sich die Kleine beruhigt hatte drückte er sie ein kleines Stückchen von sich weg und sah ihr in die Augen. Zärtlich wischte er ihr eine Träne von der Wange.
Er war von Anfang an von diesem kleinen Mädchen angetan gewesen. Sie war anders als die anderen Kinder aus der Gruppe. Sie war ruhig, genügsam, dankbar für alles.
"Ich werd deinen Dad mal anrufen!", sagte er, stand auf, ging zu einem der Bücherregale und nahm sich einen grünen Ordner herunter. Auf dem Einband stand groß "Pfandfinder" drauf.
Er legte den Ordner auf seinen Schreibtisch und suchte nach der Liste auf der die Telefonnummer all seiner kleinen Schützlinge für Notfälle notiert waren. Er fand die Nummer und nahm nun den Hörrer des Telefons, welches auf seinem Schreibtisch stand, in die Hand und wählte mit der anderen Hand die Nummer. Es began zu tuten. Er sah zu Jenny, die starr auf den Boden blickte. Es tutete immer noch. Dann ging der Anrufbeantwortet der Familie Fernandez an. Abwechselnd sprachen Jenny, Gaby und Alessandro um die Botschaft zu personalisieren. "Hallo Herr Fernandez.", sagte John unsicher. Jenny riß den Kopf hoch und sah John jetzt erwartungsvoll an. "Leider erreiche ich Sie nicht, aber ihre Tochter Jenny steht hier bei mir. Sie wurde heute Abend nicht von der Pfadfinderstunde abgeholt. Bitte rufen sie mich doch zurück wenn Sie die Nachricht abhören!" Als Jenny germerkt hatte, dass John nur mit dem Anrufbeantwortet sprach hatte sie den Blick wieder abgewendet. "Nur der Anrufbeantworter.", sagte John zu ihr gewandt. "Ich weiß.", sagte Jenny, und sah kurz zu ihm auf. John sah die Traurigkeit in ihren Augen und hatte auf einmal das dringende Bedürfniss dem kleinen Mädchen zu helfen. Jenny wendete den Blick wieder ab.
"Weißt du was Jenny?", sagte er während er sich wieder zu ihr auf das Sofa setzte. Sie sah ihn wieder an. "Es ist schon sehr spät und du siehst auch ziemlich müde aus. Wie wäre es wenn du heute einfach bei mir üernachtest?" Es brauchte ein wenig bis Jenny begriffen hatte was John da eben zu ihr gesagt hatte. Sie war wirklich schon ziemlich müde. Schließlich war sie schon seit heute morgen auf den Beinen und normalerweise war sie um diese Uhrzeit schon längst am schlafen. Als sie Begriff, dass sie wirklich bei John übernachten würde, freute sie sich. Kurz war alles vergessen was heute passiert war, oder besser gesagt, was nicht passiert war.
Erst wollte sie John um den Hals fallen und ihm vor Freude einen Kuss aufdrücken. Doch dann besann sie sich und sagte nur "Ok.".
"Ok, gut, du kannst dann in meinem Bett schlafen und ich mach es mir auf der Couch im Wohnzimmer gemütlich.", sagte er und wollte schon aufstehen.
"Nein!", sagte Jenny laut aus einem Impuls heraus. Erst danach wurde ihr bewusst, dass sie das wirlich laut gesagt hatte. "Alleine hab ich Angst." John sah sie kurz an und lächelte dann. "Ok, mein Bett ist wohl groß genug, dann schlafen wir beide hier." Jenny war überglücklich.
John ging kurz aus dem Zimmer um seiner Mutter über die Situation bescheid zu geben. Diese machte sich Sorgen und versprach weiter zu versuchen bei den Fernandez anzurufen. Sie schlug außerdem vor, dass John Jenny ja morgen kurz bei der Grundschule abliefern konnte bevor er zu dem beanchbartem Gymnasium ging, dass er besuchte.
Danach ging er wieder in sein Zimmer, gab Jenny ein großes T-Shirt von sich, was sie zum schlafen anziehen sollte und zog sich selber um, um sich danach neben Jenny ins Bett zu legen.
"Fertig?", fragte er. Jenny nickte und er schaltete das Licht aus.
John war sich total unsicher was er tun sollte, ob er sich bewegen durfte, oder ob schon eine kleine Bewegung das zarte Wesen beim einschlafen störren würde.
Doch dann hörte er wieder ein leichtes Schluchzen.
Er wusste was zu tun war. Er nahm Jenny in den Arm und so schliefen die beiden eng aneinander gekuschelt ein.

Ca. 20:27 Uhr im Elisabeth Krankenhaus
Operationssaal 1

"Ich glaube wir verlieren ihn!" rief eine Krankenschwester dem behandelnden Arzt zu. Sie hatte die Monitore welche die Aktivitäten des Herzes von Alessandro Fernandez aufzeichneten die ganze Zeit genau im Blick gehabt. Vor einigen Sekunden war die Herz- Frequenz in einen bedrohlichen Bereich gefallen. Mittlerweile war er sogut wie nicht mehr vorhanden. Plötzlich ertönte ein durchgehender Piep Ton. "Schnell die Akkus aufladen!", rief der Arzt. Ein Krankenschwester reichte ihm die Schocker.
Der Arzt hielt die Schocker aneinander und drückte sie dann auf Alessandros Brust, doch nichts passierte. Er wiederholte den Vorgang 5 Mal. Dann legte er die Schocker beiseite und sah auf die Uhr. "Todeszeitpunkt 29. Dezember 1988, 20:30 Uhr."

Etwa zur gleichen Zeit, Operationssaal 2

Gaby beobachtete die ganze Zeit schon die junge Assitenz Ärztin die neben ihr stand und selbst angestrengt auf die Bewegungen des Arztes achtete. Den Arzt selber konnte sie nicht sehen, daher erhoffte sie sich von dem Gesicht der Assistenz Ärztin ablesen zu können ob etwas schlimmer passierte.
Plötzlich hörte Gaby ein klackendes Geräusch, fast schon ein schnippen. "Was ist passiert?", fragte sie ängstlich. "Keine Sorge Misses Fernandez!", sagte der Arzt und hob dabei seine Hände in die Höhe auf denen ein kleines braunes Bündel, welches von der noch auf ihm befindlichen Käseschmiere gelb schimmerte, in die Höhe. In dem Moment fing der kleine Körper an zu schreien. "Herzlichen Glückwunsch, es ist ein kleines Mädchen!", mit diesen Worten hielt er ihr kurz das Kind vor die Augen, zog es dann aber sofort wieder weg und übergab es einer Hebamme, die schon die ganze Zeit mitdabei gewesen war.
Doch Gaby hatte sich das Gesicht ihrer kleinen Prinzessin sofort eingeprägt. Sie war das wunderschönste was sie jemals gesehen hatte. Vom ersten Moment an liebte sie dieses kleine Mädchen über alles auf dieser Welt.
Während Gaby noch völlig in ihren Gedanken versunken war diktierte der Arzt einen Krankenschwester für die Akte: "Geburtszeitpunkt 29. Dezember 1988, 20:31 Uhr."